Unsere Themen in diesem Mitgliederbrief:
Liebes Mitglied,
noch während der Berlinale, die am 1. März 2020 mit der Verleihung der Bären im Rahmen einer feierlichen Gala endete, war auf diversen Veranstaltungen zu hören: Wie gut, dass Deutschland nicht betroffen ist, nicht auszudenken, wenn wir hier „italienische Verhältnisse“ hätten. Zu dem Zeitpunkt waren einige Regionen in Italien als Risikogebiete eingestuft, es herrschte jedoch noch keine allgemeine Ausgangssperre südlich der Alpen. Alles Geschichte. Die Pandemie wirkt sich so tiefgreifend auf unser soziales Leben, auf die Arbeit, die Wirtschaft und nicht zuletzt auf das Gesundheitssystem aus, dass derzeit niemand alle Folgen abschätzen kann. Fest steht: Gerade die Freien, die mit ihrer Arbeit Kunst, Kultur und Medien in Deutschland gestalten, sind existenziell betroffen von der Krise, die Covid-19 auch in Deutschland ausgelöst hat.
Deshalb hat der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke schon am 13. März gegenüber der Bundeskanzlerin und mehreren Ministern den dringenden Handlungsbedarf für die Solo-Selbstständigen angemahnt, denen Aufträge wegbrechen und die keine Mittel auf der hohen Kante haben, um so eine Situation zu überbrücken. Der Staat ist angesichts der Krise in der Verantwortung, diese Brücken zu bauen. Da helfen keine weiteren Kredite oder günstige Darlehen, da helfen nur schnelle und unbürokratische Sofortmaßnahmen – nicht nur für große Unternehmen, sondern auch für kleine Betriebe und eben die Solo-Selbstständigen. Am 23. März hat die Bundesregierung ein Sofortprogramm verabschiedet, das sich langsam konkretisiert. Mittlerweile flankieren alle Bundesländer diese Maßnahmen mit eigenen Hilfspaketen.
ver.di hat diese Unterstützung eingefordert und lässt kein Mitglied im Regen stehen, auch wenn die Probleme vielfältig und ganz individuell sind. Was es an Unterstützung und Hilfe gibt, tragen wir auf den Seiten der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di zusammen. Und auch das ver.di-Referat für Selbstständige leistet mit einem täglich wachsenden Informationsangebot einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung unserer Mitglieder:
https://dju.verdi.de/ueber-uns/nachrichten/++co++df7724ce-6514-11ea-8183-001a4a160100
https://selbststaendige.verdi.de/beratung/corona-infopool/++co++aa8e1eea-6896-11ea-bfc7-001a4a160100
Betroffen sind natürlich auch die arbeitnehmerähnlichen Freien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und auf Produktionsdauer Beschäftigte bei den Sendern ebenso wie an den Filmsets. ver.di fordert daher von ARD, ZDF und Deutschlandradio, dass diese „ihre“ Freien, immerhin bundesweit rund 18.000 Kolleg*innen, ohne die kein Programm möglich ist, über bestehende Tarifregelungen hinaus angemessen und unbürokratisch absichern. Dazu stehen wir mit den einzelnen Anstalten in Verhandlungen. Ein gutes Beispiel ist der WDR, wo die Kolleg*innen nicht nur eigene Freien-Sprechstunden anbieten, sondern auch ein Härtefallfonds eingerichtet wurde, über dessen Ausschüttung im Einzelfall jeweils paritätisch entschieden wird. Mehr Informationen über die ver.di-Aktivitäten in den Rundfunkanstalten haben wir hier zusammengetragen:
https://rundfunk.verdi.de/ueber-uns/nachrichten/++co++8ccf4a52-6de9-11ea-999b-525400f67940
Für Filmproduktionen hat ver.di in rekordverdächtigen sieben, in Telefonkonferenzen geführten Verhandlungen mit der Produzentenallianz einen Tarifvertrag über Kurzarbeit vereinbart. Er wird dem Wildwuchs und der immensen Verunsicherung an den Filmsets, wo zum Teil trotz gesundheitlicher Gefährdung weitergedreht worden ist, ein Ende bereiten:
https://filmunion.verdi.de/und-action/nachrichten/++co++c2c4d154-6dc6-11ea-9a76-525400f67940
Übrigens: Egal, wo Du beschäftigt bist, wenn Du feststellst, dass an Deinem Arbeitsplatz eine Gesundheitsgefährdung besteht oder die von den Ländern erlassenen Regeln nicht eingehalten werden: Wende Dich an das Gesundheitsamt – zu Deinem Schutz, zum Schutz Deiner Kolleg*innen!
Kurzarbeit ist das zweite Stichwort, mit dem wir als Gewerkschaft neben Soforthilfen für Freie in der Krise bestmögliche Regelungen für Betroffene erzielen können und wo derzeit entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen werden – angefangen bei den großen Kinoketten UCI, Cinemaxx und Cinestar, die gleich als erstes ab 14. März von der Schließung betroffen waren, über den Filmbereich und jetzt auch bei den Tageszeitungsverlagen und in der Druckindustrie, für Verlagskaufleute wie auch für die Redaktionen. Üblicherweise treffen die Betriebsräte diese Vereinbarungen, aber auch da stehen wir als Gewerkschaft natürlich beratend zur Seite, um eine möglichst hohe Aufstockung der Gehälter zu erzielen. Alle, die aufgrund der Pandemie weniger oder gar nicht mehr arbeiten können, sollen möglichst wenig materielle Verluste erleiden. Das ist auch bei den Vereinbarungen über Kurzarbeit unsere oberste Prämisse. Und so ist es gut, dass es bereits mehrere Regelungen auch im Bereich der Tageszeitungen gibt, wo das Gehalt auf 100 Prozent aufgestockt wird.
Diese Krise zeigt, wie wichtig die Arbeit der Redaktionen ist: Die Einschaltquoten bei den öffentlich-rechtlichen Sendern liegen auf Rekordniveau, der Einfluss der digitalen Plattformen sinkt – übrigens auch der Einfluss der AfD, die fast ausschließlich über Facebook, Twitter etc. kommuniziert und aktuell so gut wie gar nicht mehr wahrnehmbar ist. Nicht, weil sie nicht sendet, sondern weil das, was sie sendet, keine Relevanz in der derzeitigen Situation hat. Das sollten wir uns für die Zeit „nach Corona“ merken. Denn diese Zeit wird es geben und es macht Sinn, sich dann zu überlegen, was wir aus dem, was wir jetzt erleben für unseren Umgang miteinander lernen können.
Noch sind wir aber mitten drin in der Krise und müssen diese gemeinsam und solidarisch meistern, vom Home-Office aus, während wir unsere Kinder betreuen, in ausgedünnten Redaktionen. Im Ausnahmezustand gilt es, einen unverzichtbaren Beitrag zu leisten.
Daher hat Kurzarbeit aus Sicht der dju in ver.di in Redaktionen nichts zu suchen: In Zeiten physischer Isolation hält Journalismus soziale Verbindungen aufrecht, sei es mit Informationen darüber, was der Lieblingsfußballverein in der erzwungenen Spielpause so unternimmt, um fit zu bleiben, oder in Form von Lektüretipps aus der Kulturredaktion. Niemand von uns hat eine Situation wie die derzeitige schon erlebt und sie bietet eine Fülle an Geschichten, die neben tagesaktuellen Informationen über die aktuellen Entwicklungen hinaus dankbares Publikum finden.
Journalistische Arbeit ist systemrelevant. Es ist gut, dass mehrere Bundesländer dies entsprechend in ihren Erlassen zur Notbetreuung auch festgehalten haben. Das reicht allerdings nicht. Daher hat Frank Werneke in einem Brief an die Bundeskanzlerin auch eine bundeseinheitliche Regelung angemahnt. Bis zu einer endgültigen Klarstellung gehen wir davon aus, dass es keine Einschränkungen der Pressefreiheit gibt und dass der bundeseinheitliche Presseausweis journalistische Arbeit hinreichend legitimiert. Sollte es bei dieser Legitimierung zu Problemen mit den Behörden kommen, stehen wir Dir natürlich jederzeit und gerne unterstützend zur Seite.
Denn auch wenn sich unsere gewerkschaftliche Arbeit gerade vollkommen verändert, stehen in ihrem Mittelpunkt natürlich unsere Mitglieder. Auch wir sitzen im Home-Office und mussten bundesweit unsere Geschäftsstellen schließen, sind aber per Telefon und Mail erreichbar, auch wenn im Hintergrund wie jetzt in meinem Wohnzimmer „Krabat“ von Ottfried Preußler als Hörbuch läuft und aus dem Hintergrund großes Geschrei ertönt, weil die virtuelle „Brawl Stars“-Rangelei mit vollem Körpereinsatz geführt wird. Nichts davon hindert uns als Gewerkschaft am Arbeiten und ich empfinde es als wirksame Interessenvertretung, dass wir als große Gewerkschaft ver.di direkten Zugang zu den entscheidenden Akteur*innen haben und nicht darauf angewiesen sind, über online-Petitionen Aufmerksamkeit zu generieren, ohne tatsächlich eine Forderung durchsetzen zu können.
Bleiben wir bei den Medien und ihrer unverzichtbaren Arbeit selbst unter den schwierigen Bedingungen der Krise: Soeben hat die Gutenberg-Universität in Mainz die Erkenntnisse ihrer Langzeitstudie zum Thema Vertrauen in die Medien im vergangenen Jahr herausgegeben, siehe hier:
https://medienvertrauen.uni-mainz.de/.
Dieses Vertrauen wird gerade in der Krise gestärkt, davon ist auszugehen. Die überregionalen Nachrichtenmedien weisen auf jeden Fall neue Rekordwerte in der digitalen Nutzung auf, wie eine aktuelle Analyse der IVW-Zahlen zeigt, siehe hier: https://www.editorial.media/2020/03/20/durch-corona-krise-allzeithoch-bei-editorial-media-nutzung/.
Das zeigt, wie unsere Demokratie auf seriöse journalistische Arbeit angewiesen ist. Dieser Arbeit wird es auch in der Zeit nach Corona bedürfen. Wenn sich Gesellschaft und Wirtschaft neu sortieren, bedarf es Orientierung und einer Erinnerung an das, was gut gelaufen ist in der Krise und vielleicht beibehalten werden sollte und was nicht. Es ist daher kurzsichtig, jetzt zu fordern, dass alle Medien ihre Inhalte kostenlos anbieten und die Bezahlschranken einreißen sollen: Journalistische Arbeit ist es wert, angemessen bezahlt zu werden, auch und gerade in Zeiten der Krise - die auch Chancen für neue Formen der Zusammenarbeit bietet. Dazu empfehlen wir ein Projekt des Global Journalism Observatory, siehe hier: https://dju.verdi.de/ueber-uns/nachrichten/++co++78967834-6a93-11ea-8355-525400f67940, sowie vom Nieman Lab, einer Organisation, die eine Vorreiterrolle für die Zukunft des Journalismus spielt, siehe hier: https://www.niemanlab.org/2020/03/how-journalists-are-working-together-to-cover-the-covid-19-pandemic/?utm_source=Daily+Lab+email+list&utm_campaign=cb1142fcad-dailylabemail3&utm_medium=email&utm_term=0_d68264fd5e-cb1142fcad-396485703&fbclid=IwAR1msu0uftERl8BtHmJOtRnxwVV39rPqs1vxOlVo3c4lncaXzdIRv7P4NKY .
Liebe Kollegin, lieber Kollege,
journalistische Arbeit ändert sich, durch die Corona-Krise werden sich disruptive Prozesse beschleunigen und zum Teil erst ausgelöst. Dadurch entstehen neue Chancen, für die Gesellschaft, eine sozialere Wirtschaft und neue Medien. Wer hätte sich noch vor zwei Wochen ein Projekt wie „united we stream“ vorstellen können, mit dem die Berliner Clubs ihre DJs in unsere Wohnzimmer bringen? Wer hätte gedacht, dass wir täglich ein Klavierkonzert von Igor Levit über Twitter hören können? Wir stehen solidarisch zusammen, um diese Krise gemeinsam zu meistern und das Beste für Sie als unsere Mitglieder heraus zu holen und Ihnen und Euch damit Mut zu machen, die Chancen darin zu erkennen und zu nutzen, für ein solidarisches und soziales Miteinander.
Komm gut und gesund durch diese Krise und lass uns gerne wissen, wie wir Dich dabei unterstützen können!
Mit den besten Grüßen
Conny Berger und das Team der Bundesgeschäftsführung des Bereichs Medien und der dju in ver.di
https://dju.verdi.de/
https://rundfunk.verdi.de/
https://mmm.verdi.de/