dju-Tarifinfo: Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung in Zeitungsredaktionen abgeschlossen

06.07.2020

06.07.2020

Mit dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) hat die dju in ver.di einen Tarifabschluss zur Beschäftigungssicherung vereinbart. Geraten Verlage in nachweisbare Notlagen, dann kann die Jahresleistung für Redakteurinnen und Redakteure teilweise oder sogar ganz gekürzt werden, wenn dafür ein Kündigungsschutz vereinbart wird. Für Freie enthält der Tarifvertrag einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen für Honorarausfälle in 2020 in Höhe eines durchschnittlichen Monatshonorars des Vorjahres.

Vor dem Abschluss dieses Tarifvertrages stand jedoch die ernüchternde Erkenntnis: die Leistungen und der große Einsatz der Redaktionen während der Corona-Pandemie sind dem Verlegerverband keine Form der Anerkennung wert. Die Verhandler*innen des BDZV haben kategorisch ausgeschlossen, über Prämien zu sprechen oder gar Gehalts- und Honorarerhöhungen in Aussicht zu stellen. So werden zwar steigende Zahlen bei Abos, vor allem im Digitalbereich, verzeichnet, wird die Bedeutung von Zeitungen und Rundfunk in der Krise sogar von höchster Regierungsebene herausgestellt, aber den Entscheidern in den Verlagen ist nur ein Schulterzucken zu entlocken. „Dann streiken Sie doch!“, heißt es stattdessen. Dazu wird es dann wohl zur gegeben Zeit auch kommen müssen. Einstweilen konnten sich die Tarifparteien nun aber zumindest auf einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung einigen, von dem auch Freie profitieren.

Einmalige Ausgleichszahlung für Freie

Sowohl arbeitnehmerähnliche freie Zeitungjournalistinnen und -journalisten, als auch Freie ohne diesen Status, die regelmäßige monatliche Honorareinnahmen von mehr als 450,- Euro durch einen Verlag haben, können eine Ausgleichszahlung in der Höhe eines durchschnittlichen Monatshonorars aus dem Jahr 2019 erhalten. Dabei handelt es sich um eine einmalige Zahlung zur Abfederung der durch die Pandemie verursachten Honorar-Rückgänge. Diese Finanzspritze ist an keine weiteren Bedingungen gebunden, muss allerdings von den Freien selbst geltend gemacht werden. Deshalb: Erzählt Euren Kolleginnen und Kollegen davon, damit niemandem dieses Geld entgeht!

Beschäftigungssicherungsregelung

Mit dem Tarifvertrag haben wir für kurze Zeit bis Ende 2020 eine Beschäftigungssicherung vereinbart. Die Regelung soll in denjenigen Verlagen angewandt werden, die tatsächlich eine derart geschrumpfte Ertragslage haben, dass die Personalkosten ohne Absenkung von Tarifleistungen nicht mehr zu tragen wären. Für solche Fälle wurde eine zweistufige Lösung geschaffen. In der ersten Stufe kann in einer freiwilligen, also nicht erzwingbaren Betriebsvereinbarung über eine Kürzung der Jahresleistung für Redakteurinnen und Redakteure bis zur Höhe eines halben Monatsgehalts verhandelt werden. Dabei muss gegenüber dem Betriebsrat die wirtschaftliche Notlage nachgewiesen werden. Nur dann gibt es auch eine solide Verhandlungsrundlage und können faire Vereinbarungen getroffen werden. Leider konnte kein konkretes Verfahren für diesen Nachweis vereinbart werden. Die Betriebsräte werden sich daher im Rahmen ihrer Möglichkeiten aus dem Betriebsver-fassungsgesetz dazu von Sachverständigen beraten lassen müssen. Bei Haustarifverhandlungen in solchen Notlagen haben wir jedoch die Erfahrung gemacht, dass den Betriebsräten entgegen der sonstigen Verschlossenheit sehr wohl Einblick in das Ausmaß der schlechten Ertragslage gewährt wurde. Lässt sich ein Verlag hingegen nicht in die Karten schauen, wird es also nicht allzu schlecht um ihn bestellt sein. Ist eine Vereinba-rung auf der zweiten Stufe nötig, also soll auch mehr als ein halbes Monatsgehalt gekürzt werden, sind die Gewerkschaften DJV und ver.di in die Verhandlungen einzubeziehen. Eine Vereinbarung kommt dann nur mit ihrer abschließenden Zustimmung zustande.

Dem Verzicht auf Tarifbestanteile steht auf der anderen Seite der Medaille eine Beschäftigungssicherung gegenüber. Mit einer Betriebsvereinbarung auf der ersten Stufe wird zugesichert, dass bis mindestens Ende Juni 2021 keine Kündigungen gegenüber den in der Betriebsvereinbarung Betroffenen ausgesprochen werden dürfen. Für eine Vereinbarung auf der zweiten Stufe gilt sogar ein Ausschluss von Kündigungen bis mindestens zum Jahresende 2021. In beiden Fällen kann die Frist auch verlängert werden. Und in beiden Fällen gilt, dass diejenigen in den Redaktionen, die in diesem Jahr in Kurzarbeit waren, beim Kündigungsschutz nicht schlechter gestellt werden dürfen. Da sie oftmals zudem sogar stärkere Einbußen als ein halbes Monatsgehalt hatten, sollen sie außerdem nicht doppelt auf Einkommen verzichten müssen, indem ihnen zusätzlich Teile der Jahresleistung gekürzt werden.

Kurzarbeit

Zum Thema Kurzarbeit wurden übrigens noch zwei weitere Themen in dem Tarifvertrag verhandelt: Die Tarifparteien empfehlen, dass sich der Jahresurlaub nicht verringert, wenn die Kurzarbeit die Reduzierung der Arbeitstage einer Arbeitswoche zur Folge hatte. Auch bei der Zahlung der Presseversorgungsbeiträge soll es keine Kürzung geben. Es gilt die Empfehlung, die Beiträge unverändert weiterzuzahlen.

Gehaltsmoratorium bis Jahresende 2020

Entgegen unserer Forderungen war es nicht möglich, mit dem Verlegerverband über Tariferhöhungen zu sprechen. Wir haben deshalb in diesem Tarifabschluss, mit dem die dju in ver.di auch alle für Zeitungsredaktionen geltenden Tarifverträge wieder unterzeichnet hat, ein kurzes Gehalts- und Honorarmoratorium bis Ende des Jahres vereinbart. Ab Anfang 2021 muss dann über die dringend nötigen Tariferhöhungen verhandelt werden. Bis dahin sind auch Verhandlungen über die weiteren Inhalte im Manteltarifvertrag (MTV) und Gehaltstarifvertrag (GTV) vereinbart worden. Darüber halten wir Euch natürlich auf dem Laufenden.

Fest steht: Anfang des kommenden Jahres wird es seit mehr als anderthalb Jahren keine Tariferhöhung mehr gegeben haben. Und das, obwohl in den Redaktionen nicht nur in der Pandemie Höchstleitungen auch unter schwierigen Bedingungen erbracht werden. Journalismus ist unverzichtbar – und ebenso sind es diejenigen, die ihn machen. Das müssen die Verleger endlich anerkennen, und zwar nicht nur in Lippenbekenntnissen! Wir halten dann auch an unserer zu Beginn der Verhandlung erhobenen Forderung nach 200 Euro Tariferhöhung fest.


What? Noch nicht bei ver.di? Dann jetzt schnell Mitglied werden, denn #wirliebenjournalismus!

 
You'll never write alone!