dju-Mitgliederbrief Juli 2018

05.07.2018
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Die Themen in diesem Mitgliederbrief:

  • Aktuelles zur Tarifauseinandersetzung für Tageszeitungsjournalistinnen und -journalisten
  • Medien und Medienschaffende weiter unter Druck – und in der Verantwortung
  • ver.di-Klagen: Ein Jahr nach dem  G20-Debakel ist die Aufarbeitung noch in vollem Gange

 
dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Berger

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

turbulente Wochen und Monate liegen hinter uns: Während die Große Koalition nur unter Schmerzen ans Laufen gekommen ist und nun alles andere als eine gute Figur macht, hat sich die Tarifauseinandersetzung um die rund 13.000 Tageszeitungsjournalistinnen und -journalisten in den vergangenen Monaten zu einem Kampf entwickelt, in dem es um weit mehr geht als die Honorare und Gehälter der Kolleginnen und Kollegen.

Aktuelles zur Tarifauseinandersetzung für Tageszeitungsjournalistinnen und -journalisten

In derselben Nacht, in der Horst Seehofer in München erst seinen Rücktritt als Innenminister und CSU-Parteivorsitzender ankündigte und wenig später wieder in Frage stellte, entschied sich die Verhandlungskommission der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, ein Verhandlungsergebnis abzulehnen, das weit an den Erwartungen der Mitglieder vorbeigegangen wäre. 89,2 Prozent der Mitglieder der dju in ver.di, die seit Beginn des Jahres 2018 für Reallohnsteigerungen und eine Aufwertung journalistischer Arbeit gekämpft haben, haben sich dazu bereit erklärt, dafür auch unbefristet zu streiken. Das ist ein starkes Votum, das den Verhandlerinnen und Verhandlern der dju in ver.di den Rücken gestärkt hat. Auch in der Frage, ob wir einem Ergebnis zustimmen können, das dem gemeinsam formulierten Ziel ganz offenbar zuwiderläuft. Leicht hat sich die Entscheidung in der Verhandlungskommission niemand gemacht, sie ist aber dennoch einstimmig bei einer Enthaltung gefallen.

Die Verhandlungskommission des Deutschen Journalisten Verbands (DJV) hat anders entschieden. Das haben wir zu akzeptieren, denn nicht ohne Grund handelt es sich um zwei unterschiedliche Organisationen, die das Für und Wider ihrer Entscheidung sorgsam abgewogen und ihre Argumente zuvor umfassend ausgetauscht haben. Die dju in ver.di hat sich dann bewusst dafür entschieden, knapp eine Woche nach der Urabstimmung dem Willen der aktiven Streikenden zu entsprechen und die sich entwickelnde Streikbewegung nicht zu stoppen, bevor sie überhaupt richtig losgegangen ist.

Zuvor hatte die dju in ver.di wesentlich zum Ergebnis beigetragen und zum Beispiel die entscheidenden Vorschläge für die überproportionale Gehaltserhöhung für den journalistischen Nachwuchs von immerhin 135 Euro sowie die prozentuale Erhöhung von 2,4 Prozent mehr Geld im Jahr 2019 in die Verhandlungen eingebracht. Bei einer Laufzeit von 31 Monaten, zwei Einmalzahlungen von 500 Euro sowie rückwirkend 1,9 Prozent mehr Geld zum 1. Mai 2018 wäre aber am Ende zu wenig herausgekommen, um das Ergebnis als ein Reallohnplus zu „verkaufen“. Schon im ersten Jahr wäre die lineare Erhöhung unterhalb der erwarteten Inflation geblieben und im dritten(!) Laufzeitjahr wäre die tabellenwirksame Erhöhung gleich null gewesen. Denn nach allen tarifpolitischen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) war uns allen bewusst, dass es angesichts einer Laufzeit des Manteltarifvertrags bis Ende 2020 in diesem Jahr keinesfalls mehr zu einem neuen Gehaltsabschluss kommt, wenn der alte bis zur Jahresmitte läuft. Das zeigt sich auch daran, dass der BDZV ein Angebot der dju in ver.di zur Verlängerung der Laufzeit bis Ende 2020 bei einer tabellenwirksamen Erhöhung der Honorare und Gehälter ebenso abgelehnt hat wie eine Verkürzung der Laufzeit auf 26 Monate bei Streckung der zweiten tabellenwirksamen Erhöhung bis zum Ende der Laufzeit.

Besonders für die Freien, die von Einmalzahlungen nur anteilig profitieren, ist das bitter. Einmal abgesehen davon, dass sich der BDZV auch nicht durchringen konnte, die Ausweitung der 12a-Tarifverträge für die Freien auf Hessen und Mecklenburg-Vorpommern auszuweiten, wo die Betroffenen nun weiterhin ohne Tarifschutz bleiben.

Deswegen hat unsere Verhandlungskommission diesem zwischen dem BDZV und dem DJV ausgehandeltem Tarifergebnis nicht zugestimmt.

Aber das letzte Wort haben bei ver.di selbstverständlich die betroffenen Mitglieder. Sie werden in den kommenden Wochen deshalb im Rahmen einer Befragung - die den bindenden Regelungen einer Urabstimmung unterliegt - die abschließende Entscheidung über den Verhandlungsstand fällen.

Ob die Mehrheit der aktiven Mitglieder des DJV das aus unserer Sicht völlig unzureichende Verhandlungsergebnis mit den Zeitungsverlegern im Rahmen einer Urabstimmung akzeptiert, ist selbstverständlich eine autonome Entscheidung des Journalistenverbandes - die wir zu respektieren haben, was auch immer bei der angekündigten Mitgliederbefragung am Ende raus kommt.

Wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen des DJV in den vergangenen Wochen und Monaten in enger Verbundenheit und Kollegialität für einen würdigen Tarifabschluss gekämpft. An uns soll es nicht scheitern, diesen Kampf fortzusetzen, bis wir das Ziel einer echten Reallohnsteigerung auch tatsächlich erreicht haben. Darüber haben jetzt die Mitglieder zu entscheiden. Aus dieser Entscheidung wird sich ergeben, ob tatsächlich ein Tarifergebnis zustande kommt.

Wir informieren dazu laufend und aktuell unter https://dju.verdi.de/ueber-uns/nachrichten/++co++fe663962-7e0f-11e8-9576-525400423e78 und empfehlen zur Einordnung auch einen Kommentar in der taz vom 4. Juli unter https://www.taz.de/!5514676 

Medien und Medienschaffende weiter unter Druck – und in der Verantwortung

Und was hat das jetzt mit Horst Seehofer zu tun, außer dass in München und Hamburg parallel nächtliche Verhandlungen um Gestaltungs- und Deutungshoheit stattgefunden haben? Eine Twitter-Userin schrieb: „Es ist wie nach der Trumpwahl: Man geht abends ins Bett und hofft, dass es am nächsten Morgen weniger schlimm ist als befürchtet.“ Möge sich ihre Hoffnung bewahrheiten.

Natürlich leiden wir nicht unter Hybris und messen dem Tarifergebnis die gleiche Bedeutung bei wie dem Ringen von CDU und CSU. Das wäre vermessen. Aber wir sind die Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten und müssen uns auch der Frage nach unserer Rolle und Verantwortung in diesem Ringen und im öffentlichen Diskurs darüber stellen. Der mediale Umgang zum Beispiel mit dem tragischen Mord an Susanna oder mit dem so genannten BAMF-Skandal führt uns sehr deutlich vor Augen, wie groß die Tragweite der Entscheidungen ist, die Redaktionen täglich treffen bei der Auswahl ihrer Themen, bei ihren Recherchen und Analysen und nicht zuletzt ihren Kommentaren.

Zugleich steigt der Druck auf die Kolleginnen und Kollegen ins Unermessliche: Der Druck des rechtspopulistischen Pöbels, Übergriffe von Nazis auf Journalistinnen und Journalisten, politischer Druck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der Druck, auf allen Kanälen zeitgleich präsent zu sein und Print-, Online- sowie audiovisuelle Medien, aber auch die digitalen Plattformen (wir sprechen hier ganz bewusst nicht von den sozialen Medien, denn sie sind nicht sozial, im Gegenteil!) virtuos und professionell zu bespielen. Die dju in ver.di, unsere Fachgruppe Medien, ist die größte Interessenvertretung von Medienschaffenden hierzulande und sie setzt sich tarifpolitisch für die Interessen ihrer Mitglieder ein, wie am Beispiel des Tarifkampfs der dju in ver.di eingangs beschrieben.

Aber das ist nur eine Baustelle, auf der wir derzeit aktiv sind, um gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen diesem Druck etwas entgegen zu setzen. Neben der Gestaltung der Arbeitsbedingungen in den Redaktionen in Zeiten der Digitalisierung wie zum Beispiel mobiler Arbeit, der Einführung neuer vernetzter Systeme und Arbeiten in der Cloud mit all den daran hängenden Themen wie Daten- oder Gesundheitsschutz, machen wir uns stark für den Erhalt unseres dualen Mediensystems. Das insgesamt unter dem beschriebenen Druck ächzt und auf keinen Fall ins Wanken geraten darf, denn es ist notwendig für unsere Demokratie.

Wenn wir erleben, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk hierzulande unter Beschuss gerät, wenn die Verlage sich gegen ARD, ZDF und Deutschlandradio in Stellung bringen, ist es an uns, Gräben zu schließen und gemeinsam für gute Arbeit in guten Medien zu kämpfen. Dazu haben wir eine erste Veranstaltung gemacht, über die wir hier https://mmm.verdi.de/beruf/miteinander-reden-und-graeben-schliessen-50973  berichten, weitere werden folgen. Wir sind Motor eines Bündnisses für den Erhalt und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und unterstreichen in der dazugehörigen Erklärung die Notwendigkeit, diesen auch angemessen zu finanzieren, so, wie es die in Artikel 5 unseres Grundgesetzes festgeschriebene Rundfunk- und Pressefreiheit vorsieht - siehe hier https://rundfunk.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++296d9f82-6ee4-11e8-8d50-525400f67940 .

Jede Freiheit bringt Verantwortung mit sich: Deswegen kämpfen wir dafür, dass sich Redaktionen frei machen vom Clickbaiting um immer größere Reichweiten im Netz, von der Verlockung, mit Datenhehlerei von Leserinnen und Lesern das große Geld zu machen. Auf unseren diesjährigen Medientagen in Wannsee Ende Juni haben wir uns intensiv mit dem Thema Daten und Journalismus beschäftigt. Wer die Veranstaltung verpasst hat, kann das Wichtigste hier https://mmm.verdi.de/beruf/krassmedial-gute-daten-schlechte-daten-51631  nachlesen und sich damit trösten, dass wir weitere Veranstaltungen anbieten werden, um unsere Rolle und Verantwortung im öffentlichen Diskurs zu reflektieren und die Bedingungen dafür gemeinsam abzustecken. Denn davon lebt Gewerkschaft: von der Gemeinsamkeit und dem Vertrauen in gemeinsame Werte, in Solidarität. Vom Vertrauen leben auch die Medien. Eine gute Nachricht ist, dass dieses Vertrauen wieder steigt, wie eine aktuelle Studie der Gutenberg-Universität in Mainz belegt, die hier online steht: https://medienvertrauen.uni-mainz.de/forschungsergebnisse.

ver.di-Klagen: Ein Jahr nach dem G20-Debakel ist die Aufarbeitung noch in vollem Gange

Einen Vertrauensverlust in bislang nicht gekanntem Ausmaß hat der Entzug von neun bereits erteilten Presseakkreditierungen beim G20-Gipfel Anfang Juli - am Freitagnachmittag des 7. Juli 2017, um genau zu sein - mit sich gebracht: Auf ominösen „schwarzen Listen“ tauchten die Namen von 33 Kolleginnen und Kollegen auf. Die Listen wurden öffentlich und allen, derer die Kontrollen in der Hochsicherheitszone in Hamburg während der fragwürdigen Gipfel-Inszenierung habhaft werden konnten, die das Pech hatten, auf diesen Listen zu stehen, wurde kurzerhand die Akkreditierung durch das Bundespresseamt entzogen. Das war ein ungeheuerlicher, bis dato nicht gekannter Eingriff in die Pressefreiheit, ein Skandal.

Wir führen seitdem für acht Mitglieder Klagen vor dem Berliner Verwaltungsgericht, um feststellen zu lassen, dass dieses Vorgehen seitens des Staates gegen Medienschaffende unrechtmäßig war. Wir sind optimistisch, Recht zu bekommen. Der Schaden für die Diskreditierten, wie sie sich selber nennen und deren Namen sich auf diesen Listen wiederfanden, wird für die Kolleginnen und Kollegen kaum wieder gut zu machen sein. Denn viele von ihnen sind Freie, die die Nennung ihrer Namen in diesem Zusammenhang Aufträge gekostet hat, was im schlimmsten Fall zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen kann. Dabei waren einige von ihnen „nur“ aufgrund von Verwechslungen und Schlampigkeit seitens der Sicherheitsbehörden auf diesen Listen gelandet. Das Auftauchen anderer wiederum hat einen weiteren Skandal rund um das Thema G20 zutage gefördert, der noch nicht mal ansatzweise bearbeitet ist.

Ja, es ist gut, dass das Bundespresseamt einen Akkreditierungsverantwortlichen eingesetzt hat, der als Ansprechpartner bei Großlagen direkten Zugriff auf die Rohdaten von BKA und Co hat. Das entsprach übrigens auch der ersten Forderung, die die dju in ver.di direkt im Anschluss an den Akkreditierungsentzug erhoben hatte, nachdem vor Ort niemand Verantwortliches aufzutreiben war, der oder die den Schaden hätte heilen können. Aber offen ist noch die Frage, wie dieses Thema beispielsweise bei Sportveranstaltungen oder anderen privaten Großereignissen behandelt wird. Und die ganz große offene Frage dreht sich darum, wie eigentlich überhaupt solche Listen zustande kommen konnten, wer von wem welche personenbezogenen Daten in welchen Dateien sammelt, speichert und gegeneinander abgleicht. Da geben sich die Behörden nach wie vor ausgesprochen zugeknöpft, was zumindest die Mutmaßung zulässt, dass diese Datensammelpraxis, von deren Ausmaß G20 möglicherweise nur einen Ausschnitt gezeigt hat, ihnen mehr als recht, aber womöglich nicht ganz rechtens ist.

Wir haben uns daher entschlossen, in den Fällen, in denen Fragen zum Umgang mit personenbezogenen Daten seitens der Behörden, offen sind, ebenfalls den Klageweg einzuschlagen, weil es hier um eine sehr grundsätzliche Auseinandersetzung geht. Womit wir wieder beim Thema Pressefreiheit wären und auch bei Noch-Innenminister Horst Seehofer, dem obersten Dienstherren des Bundeskriminalamtes.

Dessen Zukunft ist derzeit noch ungewiss, was unseren weiteren Kurs betrifft, sind wir optimistisch. Und freuen uns darauf, gute Rahmenbedingungen für guten, verantwortungsbewussten Journalismus und die Medien der Zukunft mit Euch gemeinsam zu gestalten. In diesem Sinne einen schönen und aktiven Sommer!

Viele Grüße,

Conny Haß

und das Team der Bundesgeschäftsstelle der dju in ver.di

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