Genug gejammert - Zukunft jetzt!

09.01.2014

Gute Ideen für modernen Journalismus

Live berichtet: Tagungsdokumentation des 27. Journalistentags, 30. November 2013, im ver.di-Haus in Berlin

Tagesmoderation: Inez Kühn

 
Frank Werneke

10 Uhr Eröffnung durch den stellvertretenden ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke

"Guter Journalismus steht heute unter Druck", erklärte Werneke zu Beginn des Journalistentags, "doch wir leisten Widerstand." Phantsielose Sparprogramme kennzeichneten die Verlagspolitik, neue Ideen für neue Umsätze fänden sich nur selten. "Die Zukunft des Journalismus schaffen nicht die Verleger, eher im Gegenteil. Die Zukunftskonzepte müssen von den Journalistinnen und Journalisten geschaffen werden."

In den laufenden Tarifverhandlungen sollen unter dem Etikett "Tarifwerk Zukunft" die Bedingungen für die Journalisten einschneidend verschlechtert werden, gerade auch für die jungen Berufseinsteiger. Seit einigen Tagen gibt es nun ein Gehaltsangebot von 1,4 Prozent, allerdings sollen ganze Bundesländer und Regionen davon ausgenommen werden. "Dieses Angebot ist aus meiner Sicht eine Frechheit." Redakteure und freie Journalisten sind die Berufsgruppen mit den schlechtesten Gehalts- bzw. Honorarentwicklungen.

"Wir werden auf gar keinen Fall einen Tarifvertrag abschließen, der unter dem Strich ein Minusgeschäft ist." Dann würde es besser sein, die Tarifverträge in die Nachwirkung gehen zu lassen. Tarifverträge in der Nachwirkung gelten nur noch für Gewerkschaftsmitglieder, die vor Silvester 2013 eingetreten sind, denn nur solange läuft der geltende Tarifvertrag.

Da die wirtschaftliche Kreativität in den Verlagen für die Zukunft des Journalismus nicht besonders ausgeprägt erscheint, müssen sich auch die Journalistinnen und Journalisten mit neuen Konzepten beschäftigen.

 
Thomas Meyer-Fries

Thomas Meyer-Fries
Volkswirt und selbstständiger Berater
Geld ist genug da : Geschäftsmodell Journalismus - was die Verleger wirklich wollen

"Die aktuelle Lage ist nicht ganz schlecht", so Meyer-Fries. Wenn von Krise gesprochen werde, sei eher von längerfristigen Trends die Rede. Es hat in den vergangenen Jahrzehtnen einen Auflagenrückgang bei den Zeitungen von 30 Millionen auf 20 Millionen gegeben. "Den Zeitungen sterben die Leser weg." Die Vertriebsumsätze steigen aber noch, weil es noch sehr leicht sei, Preissteigerungen durchzusetzen. Zeitungen sind von einem sinkenden Anteil an Werbegeldern betroffen, aber auch von "einem schrumpfenden Kuchen insgesamt". Die Verleger haben noch immer die Maßstäbe der 90er Jahre, als weitaus höhere Renditen möglich waren. Bei den Transaktionen, die zu Mediengruppen geführt haben, sind Preise verlangt und gezahlt worden, die auf damaligen Renditeerwartungen beruhen, die sich heute als völlig unrealistisch erwiesen haben. Zunächst reagierte man eher mit internen Kostensenkungsaktionen, jetzt kommen immer stärker äußere Kostensenkungsmaßnahmen dazu, die teilweise schon panische Ausmaße annehmen und zu weiterer Medienkonzentration führen, zu Redaktionszusammenlegungen, Mantelübernahmen und ähnlichem. "Der Klassenkampf mit dem Handelsregister" durch Outsourcen, Tarifflucht und Einkommenssenkungen. "All das führt zu einer Schwächung des journalistischen Produkts und zur Flucht aus dem journalistischen Produkt."

Erfolg im Internet setze mehr voraus als die Übertragung der journalistischen Inhalte. Verlage müssen, wenn sie online erfolgreich sein wollen, das anbieten, was andere nicht können und was mit der Identität der Marke des Printmediums verbunden ist. Die Kostensenkungsprogramme können aber das traditionelle Produkt beschädigen, auch durch den Kostendruck auf die Vertriebswege. Erfolgsfaktoren für das Internet sind eigene Alleinstellungsmerkmale und die Pflege des eigenen Markenkerns.

Wachstum werde in den Verlagen nur noch in Online-Strategien gesehen. "Online statt Print", ist "nur vordergründig plausibel, denn das beruht auf einer falschen Bewertung des Internets". Die Zahlungsbereitschaft im Internet ist äußerst gering. Erfolge im Internet setzten eine Verbindung mit dem traditionellen Produkt voraus. "Ich weiß nicht, ob das journalistische Produkt, wie wir es heute kennen, neben dem Internet eine Zukunft hat. Doch wenn wir es heute beschädigen, dann wird es sicher keine Zukunft haben", zeigte sich Meyer-Fries am Ende seines Vortrags überzeugt.

 
Wulf Beleites

Wulf Beleites
Geld her: Crowdfunding. Ein Geschäftsmodell für selbstbestimmten Journalismus - Ein Selbstversuch

Aus einem Scherz aus den 1990er Jahren hat der Journalist Wulf Beleites ein Crowdfunding-Projekt entwickelt und bei den Krautreportern angeboten: "Kot und Köter" heißt die Zeitschrift, die es nie gab und ihn doch als Chefredakteur durch die Talkshows reisen ließ. Jetzt soll endlich die erste Ausgabe entstehen.

Beleites, der auch stellvertretender Vorsitzender der dju ist, berichtete in seinem Referat von den Schwierigkeiten, die am Anfang eines solchen Projekts um Spendenbitten stehen wie eine eigene Website und vor allem ein eigener Videofilm. Ein solches Projekt ist nach Beleites also mit nicht geringen zeitlichen und dann auch finanziellen Vorleistungen verbunden.

"Erfahrungsgemäß werden die ersten Spenden aus dem Freundes- und Verwandtenkreis gemacht", deshalb schickte Beleites eine Massenmail an alle seine Kontakte. Ein Hürde ist auch die Methode, wie bei Krautreporter nur nach der Anmeldung gespendet werden kann, auch wenn der Spender anonym bleiben will.

Erstaunlicherweise entwickelte sich erneut ein Medienhype wie in den 1990er Jahren. Berichte in Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen hat Beleites auf seiner Website dokumentiert. Als alleiniges Instrument für Qualitätsjournalismus möchte er Crowdfunding aber nicht empfehlen und betonte, die Verleger sollten sich nicht aus der Verantwortung zur Finanzierung von Journalismus stehlen.

 
François Bonnet

François Bonnet   
Geschafft: Mediapart aus Frankreich - Die Pioniere des Paid Content

Vier Journalisten gründeten 2008 die unabhängige Internet-Zeitung Mediapart, berichtete ihr Chefredakteur François Bonnet. Drei der Gründer arbeiteten vorher für die renommierte französische Tageszeitung "Le Monde". Aus Abfindungen etc. sammelten die Gründer unter Schwierigkeiten ihr Startkapital zusammen und fanden erst dann auch zwei Investoren aus der IT-Branche.

Mediapart verzichtet auf die in Frankreich bei Tageszeitungen üblichen staatlichen Subventionen in Millionenhöhe (Le Monde 18 Millionen, Liberation 17 Millionen Euro in einem Jahr als Beispiel) und veröffentlicht auch keinerlei Werbung. Dennoch schreibt die Internet-Zeitung bereits seit drei Jahren schwarze Zahlen und kann Gehälter nach Tarif zahlen. Keine der französischen Print-Tageszeitungen dagegen mache Profit, erklärte Bonnet.

Inzwischen hat Mediapart 50 Mitarbeiter, zwei Drittel von ihnen sind Journalistinnen und Journalisten. Finanziert wird Mediapart durch seine 80.000 Abonnenten, die bereit sind, für unabhängigen Qualitätsjournalismus ein monatliches Abonnement von neun Euro zu bezahlen. Mediapart ist eine GmbH mit Aufsichtsrat, zwei der Aufsichtratsmandate werden von den Gründern wahrgenommen. Bonnet bezeichnet sein Internet-Blatt als eher linksgerichtet, aber parteiunabhängig.

Mediapart versteht sich als Tageszeitung, nicht als Magazin und widmet sich besonders der Recherche politischer und gesellschaftlicher Missstände. Bekannt geworden sind vor allem die Artikel über die Verstrickungen von Politikern, seien es die Spenden der reichen Erbin Liliane Bettencourt an Nicolas Sarkozy oder die geheimen Konten des jüngst zurückgetretenen Budgetministers. Mediapart kann als unabhängiges Medium einen kritischen Journalismus bieten, der in den französischen Medien, die vielfach großen, nicht nur im Journalismus engagierten, Konzernen gehören, nicht mehr häufig anzutreffen ist.

"Mit der digitalen Revolution können wir einen ganz neuen Dialog aufbauen", meinte Bonnet. Zusammen mit den Lesern und auch Whistleblowern wie Julian Assange oder Edward Snowden könnten Journalisten so ein neues, unabhängiges Informationssystem erstellen.

 

Tim Pritlove
Podcaster und Medienkünstler
Geschäftsmodell Selbstvermarktung

Der Podcaster Tim Pritlove pflegt zu den Hörern seines Podcasts "Metaebene Personal Media" eine sehr persönliche Beziehung und trifft sich auch mit ihnen. Er unterstellt seinen Zuhörerinnen und Zuhörern eine ungewöhnliche Aufmerksamkeitsbereitschaft, denn seine Reportagen sind mindestens anderthalb Stunden lang. Interviews können durchaus fünf Stunden dauern. Werbung macht Pritlove in seinem Podcast nicht, übernimmt aber Auftragsarbeiten zum Beispiel für die europäische Raumfahrt.

Pritlove selbst bezeichnet sich als Moderator und Produzent, aber nicht als recherchierenden Journalisten. "Ich ziehe Leute vor das Mikrofon und frage so lange, bis alles gesagt ist." So gehe er auch seine Auftragsarbeiten an und zeigte sich überzeugt, dass daurch die Unabhängigkeit nicht verloren gehe. "Und Unabhängigkeit wird belohnt."

Als er für sein Podcast-Projekt anfing Spenden zu sammeln, war der Begriff "Crowdfunding" noch unbekannt. Neben direkten Spenden nutzt Pritlove auch "Microdonations" wie etwa über Flattr, sogenannte "Affiliate Links", jetzt auch Crowdfunding und andere Möglichkeiten. Bezahlmodelle können nach seiner Erfahrung funktionieren, wenn man ein etabliertes und verlässliches Angebot macht, der Moderator also selbst zur Marke geworden ist.

Diskussion

In der anschließenden Diskussion über die drei Projekte richteten sich viele Fragen an den französichen Chefredakteur, zum Beispiel nach dem Gehalt der Mitarbeiter (2500 bis 5000 Euro), nach den Arbeitszeiten, freien Mitarbeitern, der Leserschaft und der schnellen Etablierung von Mediapart auf dem französischen Medienmarkt. Letzteres beantwortete Bonnet mit der erstarrten französichen Medienszene, die sehr konformistisch berichtet und nicht in Journalismus investiert. Die Leser von Mediapart sind internetaffin, aber nicht unbedingt jung, keineswegs nur in der Großstadt Paris zuhause und schätzen eben eine unabhängige Berichterstattung.

 

 
Cornelia Haß

Cornelia Haß, Bundesgschäftsführerin, führte als Resümee des Vormittags aus, dass neue Wege im Journalismus Mut, Qualität und Unabhängigkeit erfordern. Aus Zeitgründen stellt sie ihren Vortrag "Und das Allheilmittel? Über die Rolle von Crowdfunding und anderen journalistischen Finanzierungsmodellen in der Zukunft"  als Download zur Verfügung (siehe rechts oben).

Pause

 

 
Aimen Abdulaziz (links) und Alexander Ziegler von der Deutschen Journalistenschule München

Film ab!
Absolventen der Deutschen Journalistenschule München setzen sich mit dem Thema des Journalistentags auseinander

In Interviews mit ehemaligen Journalisten setzen sich die jungen Filmemacher mit der heutigen Berufssituation von Journalistinnen und Journalisten auseinander. Pfarrerin, Rechtsanwalt, Olivenölhändler oder Grabrednerin sind die heutigen Berufe der ausgestiegenen Journalistinnen und Journalisten. Ausstiegsgründe waren mangelnde Perspektiven, Konkurrenzkampf und Einzelkämpfertum, Beschränkungen des Journalismus durch das Verlagsmanagement. Was können sie jungen Journalisten empfehlen? Nach langem ratlosen Schweigen meint die ehemalige Auslandskorrespondentin, die heute Pfarrerin ist: "Nicht zynisch werden."

 

Ana Radic
Volontärin beim NDR
Vom Wunsch zur Wirklichkeit - Wie werde ich Journalistin, wie wurde ich Journalistin?

Ana Radic hat die studienbegleitende Journalistenausbildung am Institut zur Förderung des journalistischen Nachwuchses ifp absolviert. Heute ist sie Volontärin beim NDR. Auffallend findet sie, dass die Journalistinnen und Journalisten eine sehr homogene gesellschaftliche Gruppe bilden und wünschte, dass die Bandbreite der Gesellschaft besser abgebildet werden würde. Die Zahl der Volontäre mit Migrationshintergrund sei aber in den letzten Jahren gestiegen. Ihre Zukunft ist die freie Mitarbeit für den NDR, der sie eigentlich mit Zuversicht entgegensieht: "Bisher hat es immer geklappt."

 

Ralf Krauter
Journalist mit zehn Jahren Berufserfahrung - Vom nötigen Handwerkszeug und der Entwicklung eines eigenen journalistischen Profils

Ralf Krauter hat acht Jahre als freier Wissenschaftsjournalist für den öffentlich-rechtlichen Hörfunk gearbeitet, bis er jetzt vor kurzem wieder auf eine Redakteursstelle beim Deutschlandfunk wechselte. Krauter, der Physik studiert hat, hatte sich von vornherein für den Wissenschaftsjournalismus entschieden und ein entsprechendes Volontariat beim Deutschlandfunk gemacht. Bei den ARD-Sendern könnten Freie nach wie vor gut verdienen, aber auch hier wird die Situation schlechter und die Kostenschraube angezogen: "Die Freien spüren das."

Krauter bezeichnete als einen Grund für seinen Erfolg die Beharrlichkeit bei seinen Themen, um sich damit eine Reputation in bestimmten Bereichen zu erwerben. Zur Förderung der Bekanntheit sollten Freie die Arbeit für Honorarmedien und Imagemedien kombinieren, um sich zur Marke zu entwickeln. Angereichert hat er seine Einkünfte allerdings auch mit anderen Aufträgen wie Moderationen.

Im Bereich des Wissenschaftsjournalismus gebe es relativ viele Recherchestipendien, doch die würden zu selten von den freien Kolleginnen und Kollegen angezapft. Krauter stellte anschließend mehrere Projekte von Kollegen vor, vom "energiereporter.com" bis hin zum ehemaligen Blogger, der sich zum geachteten Buchautor emporgearbeitet hat. Viele solcher Projekte arbeiten mit den Mitteln des Crowdfunding, doch für Krauter ist das nur eine Nischenmöglichkeit und nicht die Basis für breiten Journalismus.

Krauter beobachtet, dass zunehmend statt des Interviews mit freien Fachjournalisten das Kollegengespräch unter Redakteuren in den  Sendungen bevorzugt wird um Kosten für den Sender zu sparen. Doch die Sender müssten sich besser um diese freien Fachjournalisten kümmern und sie wieder mehr in die Arbeit einbeziehen, sonst gehe dieses Expertenwissen für den Journalismus verloren

 
Von links: Reiner Metzger, Joachim Braun, Maike Rademaker, Rainer Esser, Andreas-Peter Weber.

Podiumsdiskussion

Gut gemacht! Ideenschmiede: Was machen wir anders, worin liegt das Besondere an unserem Produkt

In der von Maike Rademaker moderierten Podiumsdiskussion berichteten Reiner Metzger, stellvertretender taz-Chefredakteur, Joachim Braun, Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers in Bayreuth, Andreas-Peter Weber, Programmdirektor des Deutschlandradio und Dr. Rainer Esser, Geschäftsführer der Zeit, von den Veränderungen, die es in ihren Medien gegeben hat.

Metzger erklärte als einen positiven Faktor für die taz, dass sie sich schon aus Kostengründen frühzeitig für eine schlanke Produktion entscheiden musste. Durch die Genossenschaft habe es schon immer eine Community gegeben und auch der Weg ins Internet wurde früh gefunden.

Der Nordbayerische Kurier, eine Vollredaktion, hat die Termin- und Vereinsberichterstattung abgeschafft. 20 der 35 Redakteure und Redakteurinnen arbeiten als Reporter, der Eigenanteil der Geschichten beträgt rund 80 Prozent. Die Vereinsberichterstattung wurde in eine Wochenbeilage ausgelagert, in der die Vereine ihre Berichte unredigiert veröffentlichen können. Die Werbe- und Auflagenverluste habe das neue Konzept nicht stoppen können, aber die Zeitung zum Stadtgespräch gemacht.

Kostensenkung ist aber ein Kernpunkt des Zukunftswegs des Kuriers, der aus dem Tarifvertrag führen soll. Dabei beklagte Braun auch eine Entsolidarisierung zwischen Jung und Alt in der Redaktion: Junge Leute, die aus Angst um den Arbeitsplatz viel mehr arbeiteten als verlangt, und ältere, weniger effektive Mitarbeiter, die sich im Besitz eines sicheren Arbeitsplatzes fühlten, weil ihre Abfindung für den Verlag zu teuer wäre. Eine in der Diskussion umstrittene Position, in denen auf die zu niedrigen Einstiegsgehälter verwiesen wurde.

Als Monopolzeitung in seiner Region setzt der Kurier in Teilen auf Paid Content. Für überregionale Zeitungen sei dies bislang keine Lösung, meinte Metzger von der taz.

Der Sender Deutschlandradio wollte mit seinem D-Radio Wissen neue jüngere Hörerschichten erschließen. D-Radio ist im Internet, im Kabel, per Satellit und als Podcast zu hören. Doch die Hörerschaft erwies sich mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren und zu 80 Prozent männlich nicht als das erwartete Publikum. Die Sendungen sollen jetzt emotionaler Werden, zum Beispiel auch durch Musik.

Medienjournalisten prophezeiten der Zeit zur Jahrtausendwende eine traurige Zukunft, doch die Zeit hat den Umschwung geschafft und die Auflage von 420.000 auf 520.000 Exemplare gesteigert, berichtete Rainer Esser, Geschäftsführer der Zeit. Die Zeit habe das Glück, nach wie vor einer Verlegerfamilie zu gehören und nicht in einen Medienkonzern integriert worden zu sein. Als Konzept sei der Leser mehr in den Mittelpunkt gestellt worden als das Interesse der Redakteure. Fotos und Grafiken und neue Themen wie Fußball wurden integriert. Die Zeit schaffte den Erfolgsweg nicht mit Personalabbau, sondern -aufbau.

Einig waren sich die Vertreter der Printmedien, dass es in der Branche zu lange keine Innovationen gegeben habe. Braun beklagte auch ein gewisses Phlegma von Redakteuren, allerdings kämen auch viele innovative Ideen aus der Redaktion selbst. Letzeres hatte auch Esser aus der Zeit-Redaktion berichtet.

"Unter 40 Jahren läuft nichts mit Abo", ist die Beobachtung von Metzger. Daher fehle gegenüber früher einen ganze Generation von festen Lesern. "Wenn wir junge Leser haben wollen, dann müssen wir auch ein bisschen was für sie tun", betonte Esser und verwies auf die Kinderseiten in der Zeit, das Kindermagazin und andere alterspezifische Publikationen wie Zeit-Campus. Auch in der Redaktion müssen junge Leute schreiben für junge Leute. Insgesamt sollten vielmehr Frauen in Redaktion und Verlagen arbeiten, am besten Mütter, denn deren Zeitmanagement sei effektiver. Verlage sollten Frauen mehr fördern für Führungspositionen und interessantere Arbeitsmodelle anbieten.

In der Disksussion ging es auch um das Fehlen besserer Redaktionssysteme, die ein einfaches Bespielen der verschiedenen Kanäle ermöglichen und die Redaktion nicht zu viel Zeit kosten, die dann für Recherchen nicht mehr zur Verfügung steht. 

Wie versuchen die Zeitungen neue Leser an sich zu binden? Die taz versuche in ihrer Wochenendzeitung mit ganz anderen Geschichten als "Der Steit um ..." neue Leser anzusprechen, erklärte Metzger. Der Nordbayerische Kurier will mehr Leser erreichen mit einer "Mischung von harten und weichen Geschichten", sagte Braun.

Zur Verquickung von wirtschaftlichen Interessen der Anzeigenkunden mit journalistischer Arbeit, erklärte Esser, dies zerstöre die Grundlage des Zeitungsgeschäfts, die Glaubwürdigkeit. 

Wie halten Sie es denn mit den Freien, fragte Rademaker zum Abschluss. Bei der taz gebe es keinen Exklusivanspruch, daher können die Freien ihre Geschichten auch an andere Medien verkaufen, sagte Metzger. Die früheren, sehr niedrig bezahlten freien Mitarbeiter des Nordbayerischen Kurier wie pensionierte Lehrer bestücken zu den alten Konditionen die Vereinsbeilage. Die wenigen spezialisierten freien Journalisten versuche man über Pauschalen den Redakteuren gleichzustellen, erklärte Braun. Die Zeit zahle zwei Euro pro Zeile, im Magazin mehr, so Esser. Ohne freie Mitarbeiter geht es beim Deutschlandradio gar nicht, vor allem in der Fachberichterstattung und im Hörspielbereich. Aber Weber gab zu, dass die Konditionen bei den Sendern schlechter werden.

 
Ulrich Janßen

Schlusswort
Ulrich Janßen
dju-Vorsitzender

Was bleibt hängen vom heutigen Tag, fragte Janßen zum Abschluss des Journalistentags. Es müssen neue Wege ausgedacht und gegangen werden. Dabei müsse man den Verlagen auch den einen oder anderen Fehler einräumen. Bei der erfolgreichen Internet-Zeitung Mediapart in Frankreich frage er sich, ob sie so erfolgreich ist, weil sie im Internet ist oder deshalb, "weil die einfach verdammt gute Arbeit machen". Mediapart ist in eine Qualitätslücke des französischen Medienmarkts gestoßen. Das gebe wirklich zu bedenken, dass es nicht der Vertriebweg ist, der den Erfolg bringe, sondern der Inhalt.

Nach Janßens Eindruck hat sich allerdings der Optimismus aller Referate und des Diskussionsbeginns während der Podiumsdiskussion in Richtung auf eine gewisse Krisenstimmung verändert. Deshalb wolle er noch einmal einige Gedanken des Vormittags aufgreifen, wie die Aussage von Thomas Meyer-Fries, dass es die Zeitungen als Marke in einigen Jahren nicht mehr geben wird, wenn man sie jetzt beschädigt. Und das geschehe leider zurzeit.

Janßen meinte, es gebe Fragestellungen, die erst durch Journalismus, durch Analyse und Vergleich entwickelt werden können. Das zeige, wie wertvoll die journalistische Arbeit ist und wie wichtig seine Zukunft.

Susanne Stracke-Neumann