15.02.2022
Auch nach der Beratung in der dju-Tarifkommission bleibt die Kritik am Verhandlungsgeschehen und dessen Ergebnis zwischen DJV und BDZV bestehen. Es gibt viele Schwächen des möglichen Abschlusses, die durch ein gemeinsames Vorgehen der Gewerkschaften hätten verhindert werden können. Die dju-Tarifkommission schließt nicht aus und hat weiterhin die Hoffnung, dass sich noch eine gemeinsame, aber bessere Verhandlungslösung erreichen lässt. Es erreichen uns viele Fragen auch über Social-Media. Hier versuchen wir, sie zu beantworten.
Warum kam es am 10. Februar zu einem Verhandlungsergebnis?
Im Verlauf des fünften Verhandlungstermins hat es bis zum frühen Abend eine gemeinsame Linie der beiden Gewerkschaften in Form eines gemeinsamen Verhandlungsangebots gegeben. Demnach sollte die Einmalzahlung (Corona-Prämie) in Höhe von 500 Euro sowie eine erste Erhöhung spätestens im Juli 2022 und um einen Festbetrag von 125 Euro erfolgen. Danach sollte nach unser beider Vorstellungen eine zweite Erhöhung spätestens im März 2023 um 2,5 % in einer Laufzeit von 24 Monaten bis Ende 2023 erfolgen. Als der BDZV dann nach Unterbreitung des Angebots von dju in ver.di und DJV mit einer Vertagung drohte, hat sich der DJV unabgesprochen und einseitig auf ein Ergebnis mit zwei Erhöhungen um 1,5 und 2,0 Prozent eingelassen. Noch während der Verhandlung haben die dju-Verhandler das Vorgehen des DJV und das Ergebnis kritisiert. Verhindern konnten wir die Einigung zwischen DJV und BDZV jedoch nicht mehr.
War ein Abschluss nötig, um die Corona-Prämie zu retten?
Die von der dju in ver.di in die Verhandlungen eingebrachte Corona-Prämie von 500 Euro hat der BDZV schon in der vierten Verhandlungsrunde zugesagt. Strittig war, ob diese Prämie mit echten Tariferhöhungen einhergehen würde oder als Einmalzahlung an der Stelle von Tariferhöhungen gezahlt wird. Damit die Steuerfreiheit und die für Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer*innen geltende Befreiung von Sozialversicherungsbeiträgen besteht, muss die Auszahlung spätestens im März 2022 erfolgen. Dafür wäre auch ein weiterer Verhandlungstermin im Februar oder Anfang März sogar noch ausreichend gewesen.
Bringt die Corona-Prämie in diesem Abschluss mehr als eine Einmalzahlung?
Für die Arbeitgeberseite „kostet“ eine Einmalzahlung etwa 20 Prozent Abgaben. Wäre es also später zu einem Ergebnis gekommen, hätte der BDZV vielleicht nur noch 400 Euro Einmalzahlung statt der 500 Euro Corona-Prämie gezahlt. Davon wären etwa 250 Euro netto bei den Zeitungsjournalist*innen angekommen. Doch dieser angenommen 250 Euro betragende vermeintliche Vorteil einer Corona-Prämie rechnet sich nicht, wenn man das übrige Ergebnis mit einpreist: Allein für das Jahr 2022 ergibt die erst im September stattfindende Tariferhöhung von 1,5 Prozent im Vergleich zu den vorher schon vom BDZV angebotenen 80 Euro Erhöhung ab Juli 2022 eine erhebliche Differenz. Für Berufseinsteiger*innen subtrahiert sich das bis zum Jahresende sogar auf 270 Euro weniger. Eine Einmalzahlung hätte demnach selbst zusammen mit den vom BDZV angebotenen Tariferhöhungen mindestens den gleichen, wenn nicht sogar einen stärkeren Effekt als die Corona-Prämie gehabt. Und wir sind überzeugt: Beim gemeinsamen Verhandeln auch nach dem 10. Februar wäre noch mehr drin gewesen.
Aber hätte für mehr als die Verleger-Angebote nicht gestreikt werden müssen?
Ja, das ist vermutlich richtig. Aus einzelnen Verlagen wurde uns dazu auch schon die Bereitschaft mitgeteilt. Nach einem Scheitern der Verhandlung (das ist eine Voraussetzung für Streiks) am 10. Februar hätte es als letztes Mittel wohl auch Notwendigkeit für Streiks gegeben, wenn sich etwas Besseres als die Verleger-Angebote nicht mehr ergeben hätte. Der ver.di-Bundesvorstand hat einen Streik bereits bewilligt.
Warum übt die dju in ver.di öffentlich Kritik, schwächt uns das nicht vor den Verlegern als organisierte Zeitungsjournalist*innen?
Kern unserer Kritik ist der Bruch der Verhandlungsgemeinschaft und ein Verhandlungs-Alleingang des DJV vor den Augen der Verleger. Dabei herausgekommen ist ein Ergebnis, das sogar unter den vorherigen Angeboten des BDZV liegt. Dies schwächt vor allem die kurz und mittelfristige Einkommensentwicklung für Zeitungsjournalist*innen. Zwei Nullmonate länger keine Tariferhöhung, dann 1,5 Prozent statt 80 Euro mehr (in der Tabellenwirkung ist das bis zur Tarifgruppe 3 13.-14. Berufsjahr weniger als das vorherige Verlegerangebot). Dies setzt sich über mehrere Monate bis zur zweiten Erhöhung um 2,0 Prozent im Juni 2023 fort, so dass es angesichts der ab Oktober 2023 vom BDZV angebotenen Erhöhung um 1,5 Prozent über die gesamte Laufzeit bis Ende April 2023 für Redakteur*innen der drei Gehaltsgruppen 2b 1.-9. Berufsjahr weniger als nach dem Verlegerangebot gibt. Und die dauerhafte sogenannte Tabellen-Wirkung, also die am Ende stehende Gehaltshöhe, auf der kommende Erhöhungen dann möglicherweise. aufsetzen, ist auch schlechter als zuvor vom BDZV angeboten. Damit verstärkt sich die Differenz zwischen Berufseinsteiger*innen und dienstälteren Kolleg*innen.
Wie geht es jetzt weiter?
Das Verhandlungsergebnis hat eine Erklärungsfrist, in der die Tarifparteien sich überlegen können, ob sie das Ergebnis denn annehmen wollen. Die dju in ver.di spricht sich dafür aus, dass sich DJV und dju in ver.di gemeinsam darüber verständigen, ob angesichts der Kritikpunkte nicht versucht werden sollte, gemeinsam noch ein besseres Ergebnis zu erreichen. Notfalls auch mit Streik, jedenfalls aber nochmal mit dem Weg zurück an den Verhandlungstisch. Aus Sicht der dju in ver.di kann es auch nicht Interesse des DJV sein, mit diesem erkennbar nicht optimalen Verhandlungsergebnis eine dauerhaft schlechtere Einkommenssituation für Zeitungsjournalist*innen bis Ende April 2024 zu zementieren – übrigens auch im Vergleich zu anderen Abschlüssen in der Medien-Branche. Wir stehen einer Rückkehr zur Einigkeit in einer Verhandlungsgemeinschaft nicht entgegen.