Die Themen in diesem Mitgliederbrief:
Liebe Kollegin, lieber Kollege,
soeben habe ich eine meiner ehrenvollsten Aufgaben des Jahres in der Bundesgeschäftsführung für die in ver.di organisierten Medienschaffenden absolviert und den jährlichen Fragebogen der "Reporters sans Frontières" ausgefüllt. Mit diesem Beitrag ergänzen wir ein Puzzleteil im weltweiten Bild der Pressefreiheit. Ohne den Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt mit ihren Beobachtungen vorweggreifen zu wollen: Ich prognostiziere, dass sich der Zustand der Pressefreiheit weiter verschlechtert hat - was unmittelbare Auswirkungen auf den Zustand der Gesellschaft, auf Teilhabemöglichkeiten und die Demokratie hat. Schlaglichtartig seien hier die verhafteten Journalistinnen und Journalisten in der Türkei genannt, allen voran unser Kollege Deniz Yücel, die mundtot gemacht werden vom System Recep Tayyip Erdogans. Ihnen und ihren Angehörigen gehört unsere Solidarität in dieser Zeit. Auch wenn wir aktuell erleichtert sind über die Freilassung von Mesale Tolu.
Rund 150 Kolleginnen und Kollegen sind Opfer eines Systems, das Folgen hat auch für diejenigen, die nicht ins Gefängnis oder gar in die Isolation der Einzelhaft verfrachtet werden: Korrespondentinnen und Korrespondenten überlegen sich gründlich, ob Recherchen in der Türkei nötig sind oder ob sie lieber kein Risiko eingehen. Und auch Kolleginnen und Kollegen in der Türkei prüfen natürlich, ob sie mit ihrer Arbeit sich und ihre Familien in Gefahr bringen. Die Folge ist, dass die Unterdrückung der Pressefreiheit zunimmt. Natürlich auch durch die brutale Ermordung von Daphne Caruana Galizia auf Malta, immerhin ein EU-Mitgliedstaat, aber offenbar doch fest eingesponnen in ein System aus Korruption und der rücksichtslosen Einschränkung freier Berichterstattung.
Diese Ereignisse haben unser Jahr 2017 wesentlich geprägt. Und natürlich steht auch der Akkreditierungsentzug beim G20-Gipfel für eine Haltung zur Pressefreiheit, eine restriktive Haltung der Bundesrepublik Deutschland, um genau zu sein. Der G20-Gipfel ist weiter aufzuarbeiten, juristisch und politisch. Wir haben uns da als Gewerkschaft von Anfang an eingemischt, waren vor Ort, haben die Betroffenen beraten und lassen sie jetzt vor Gericht vertreten. Und wir finden: Es kann nicht sein, dass Journalistinnen und Journalisten schneller in irgendwelche Dateien reinkommen, die sie ohne staatsanwaltliche Begutachtung in die Ecke "gewaltbereit, links" stellen, als dass sie da jemals wieder rauskommen.
31. Journalistentag: Under Pressure - Die Freiheit nehm ich dir
Weil uns das Thema Pressefreiheit natürlich weiter bewegen wird und weil wir finden, dass die Zusammenhänge zwischen Politik, Wirtschaft und Grundrechten einer intensiven Analyse bedürfen, beschäftigt sich auch unser Journalistentag unter dem Motto "Under Pressure - Die Freiheit nehm ich dir" am 20. Januar in der ver.di-Bundesverwaltung damit.
Zur Einführung spricht der Journalist und Publizist Ulrich Chaussy, bekannt und ausgezeichnet für seine Recherchen um das Oktoberfest-Attentat in München. Es wird dabei um die grundsätzliche Bedeutung der Pressefreiheit für eine demokratische Gesellschaft gehen. Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, und Ebru Tasdemir von taz.gazete berichten, wie es um die Pressefreiheit in der Welt steht und welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben. Wo in Europa die Baustellen in Sachen Pressefreiheit liegen, nehmen der OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, Harlem Désir, und die Journalistin und Expertin für Osteuropa, Marta Orosz, in den Fokus.
Neben der politischen Dimension hat auch die Wechselwirkung zwischen Medien und Kommerz Auswirkungen auf die Freiheit der Berichterstattung. Sind Geld und Macht Voraussetzung für die Pressefreiheit und welche Auswirkungen haben neue Geschäftsmodelle wie die Verquickung von PR und Journalismus im Content Marketing? Dazu gibt es Impulse von Philipp Schwörbel, Vorstand der Genossenschaft von Krautreporter, Arne Henkes von der Ströer Content Group und dem Kommunikationschef der Daimler AG, Jörg Howe. Außerdem diskutieren der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, der ehemalige Mediendirektor vom FC Bayern München, Markus Hörwick, der Geschäftsführer der Südwest Presse, Thomas Brackvogel. Und natürlich behalten wir die Vorgänge rund um den G20-Gipfel im Auge und lassen dazu Betroffene wie den Fotografen Björn Kietzmann, Beobachter wie Arnd Henze von der Tagesschau sowie den Rechtsanwalt Frank Venetis zu Wort kommen.
Alle Mitglieder sind herzlich eingeladen teilzunehmen. Das vollständige Programm sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden sich hier: http://dju.verdi.de/journalistentag.
Pressefreiheit konkret
Zur Pressefreiheit gehören für uns immer auch Pressevielfalt ebenso wie die Bedingungen, unter denen journalistisch-redaktionelle Arbeit möglich ist. Das sind etwa gesetzliche Rahmenbedingungen wie die Landespressegesetze, um die wir in einem starken Medienbündnis gerade kämpfen. Es geht darum, die in der Europäischen Datenschutzgrundverordnung vorgesehenen Möglichkeiten, den Quellenschutz, der wesentliche Voraussetzung für freie Medien ist, von den strengen Datenschutzregelungen auszunehmen und den Staat aus den Redaktionen rauszuhalten. Mehr Informationen dazu hier:
http://www.bayern.de/wp-content//uploads/2017/06/stellungnahme-von-bdzv-dju-djv-presserat-und-vdz.pdf
Gräben schließen zwischen öffentlich-rechtlich und privatwirtschaftlich finanzierten Medien
Hoch her ging es in den vergangenen Monaten in der Auseinandersetzung um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Bekanntermaßen haben ARD, ZDF und Deutschlandradio am 29. September den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder jeweils einen Bericht übergeben, in dem sie skizzieren, wie sie sich die Aufstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Zukunft vorstellen, vor allem, wie sie in Zukunft Kosten einsparen wollen. Die Politik will diese Berichte jetzt prüfen und auch von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) sowie externen Sachverständigen unter die Lupe nehmen lassen. Den Ergebnissen dieser Prüfungen entsprechend sollen den Anstalten weitere Fragen vorgelegt und dann die Weichen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und davon abhängig die Höhe des Rundfunkbeitrags neu gestellt werden. Zugleich liegt ein Entwurf für eine Neufassung des Telemedienauftrags vor, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen für einen zeitgemäßen Auftritt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch online geschaffen werden sollen, etwa durch die Abschaffung der 7-Tage-Regelung.
Während diese Prozesse laufen und für die Kolleginnen und Kollegen in den öffentlich-rechtlichen Anstalten der Druck steigt, bereits Arbeitsplätze abgebaut, Abteilungen zusammengelegt und die ersten Auswirkungen der Strukturreform spürbar werden, hat sich eine Schlammschlacht zwischen der privatwirtschaftlich organisierten Presse, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der Politik entwickelt. Letztere tut sich hervor durch absurde Vorschläge, ARD und ZDF zusammenzulegen, die Verleger, namentlich Matthias Döpfner als Springer-Chef und BDZV-Präsident, rücken den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Nähe eines Staatsfunks à la Nordkorea und auch die ARD-Vorsitzende Karola Wille teilt ordentlich aus.
Wir halten diese Auseinandersetzung für nicht zielführend. ver.di bekennt sich als eine der wenigen Organisationen zum so genannten dualen System und tritt mit starker Stimme als Großorganisation für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dessen adäquate Finanzierung ein. Auch wir sehen Änderungsbedarfe, das betrifft aber vor allem die Ausgestaltung der Möglichkeiten, online zu publizieren. Denn diese müssen auch von ARD, ZDF und Deutschlandradio zeitgemäß genutzt werden können. Die Verlage müssen hier weiter ihre Hausaufgaben machen und mit entsprechenden Angeboten ihrer publizistischen Verantwortung gerecht werden.
In der Fachgruppe Medien organisieren wir die Interessenvertretung von rund 40.000 Mitgliedern, von den Kinobeschäftigten über die Filmschaffenden bis hin zu den Kolleginnen und Kollegen im Rundfunk, privat und öffentlich-rechtlich finanziert, sowie in den Verlagen. Über 20.000 ver.di-Mitglieder arbeiten als professionelle Journalistinnen und Journalisten. Egal, ob sie für Radio, Fernsehen, Print oder Online tätig sind: Ihre berufspolitischen Interessen sind in der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union bestens aufgehoben. Wir sprechen in ver.di mit einer Stimme für die Medienprofis, ob frei oder fest angestellt.
Was uns ganz wichtig ist: Wir stehen hinter unseren Kolleginnen und Kollegen und machen sie dadurch stark. Die Gräben, die derzeit durch das Mediensystem gepflügt werden, spalten und nutzen am Ende niemandem. Für keinen Menschen, der bei einer Tageszeitung arbeitet, verbessern sich die Bedingungen, wenn sie sich für die Kolleginnen und Kollegen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verschlechtern, wahrscheinlich wäre sogar das Gegenteil der Fall. Das wollen wir aber keinem Praxistest unterziehen.
Wir wollen Gräben schließen und eine neue Stärke entwickeln, Stärke für starke Medien, die unverzichtbar sind für den Erhalt unserer Demokratie. Dazu mischen wir uns ein, zum Beispiel mit Kommentaren und Foren in unserer medienpolitischen Onlinepublikation M - Menschen Machen Medien, wo namhafte Autorinnen und Autoren Stellung beziehen und sich alle gleichermaßen an der Diskussion beteiligen können, zum Beispiel hier:
https://mmm.verdi.de/beruf/der-falsche-feind-45953.
Oder hier: https://mmm.verdi.de/medienpolitik/zur-zukunft-von-ard-und-zdf-45717.
Erfolgreiche Tarifauseinandersetzungen sichern die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Medienschaffenden
Auch ganz praktische Beiträge leisten wir zur Pressefreiheit: Für den Erhalt und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, für die so genannte innere Pressefreiheit, die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Medienschaffenden. So gibt es endlich, nach fünfjährigem zähen Ringen, eine Perspektive für die Altersversorgung in der ARD. Diese dokumentiert gelebte Solidarität: Die Kolleginnen und Kollegen, die bereits in einer der neun Landesrundfunkanstalten der ARD beschäftigt sind, verzichten auf ihnen zugesagte Rentensteigerungen zugunsten der Altersversorgung für die Jungen, die nächste Generation. Mehr Informationen dazu finden sich hier:
http://rundfunk.verdi.de/tarife-honorare/altersversorgung.
Parallel dazu gab es in den Rundfunkanstalten Auseinandersetzungen um die Gehälter der fest angestellten und freien Kolleginnen und Kollegen. Mit Streiks vom MDR über den NDR, den Bayerischen Rundfunk, Radio Bremen und den WDR konnten die ver.di-Kolleginnen und Kollegen spürbare Einkommenserhöhungen durchsetzen und sich klar als aktive Interessenvertretung und politische Kraft im öffentlich-rechtlichen Rundfunk positionieren. Mehr Informationen zur Tarifrunde im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es hier:
http://rundfunk.verdi.de/tarife-honorare/tarifrunde-2017.
Das haben sich für 2018 auch die Tageszeitungsredakteurinnen und -redakteure wieder vorgenommen: Sie fordern 4,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro monatlich und setzen damit ein klares Signal für den journalistischen Nachwuchs an Tageszeitungen. Wir wollen die Arbeit in den Tageszeitungsredaktionen aufwerten und damit einen praktischen Beitrag für mehr und bessere journalistische Qualität leisten. Dafür sind unsere Kolleginnen und Kollegen bereit zu kämpfen, das verstehen wir als praktischen Beitrag zur Pressefreiheit. Weitergehende Informationen zur Tarifrunde der dju in ver.di gibt es hier:
http://dju.verdi.de/geld/tarif-news.
Bundeseinheitlicher Presseausweis trägt ab 2018 wieder das Signum des IMK-Vorsitzenden
Und weil wir wollen, dass Artikel 5 GG mit Leben gefüllt und journalistische Arbeit in ihrem Stellenwert für die Demokratie auch von den Behörden adäquat anerkannt wird, haben wir uns über Jahre dafür stark gemacht, dass der auch von ver.di ausgegebene bundeseinheitliche Presseausweis endlich wieder mit dem Signum der Innenministerkonferenz ausgestattet wird, auch um solche skandalösen Vorgänge wie die beim G20-Gipfel im Juli in Hamburg - siehe oben - für die Zukunft auszuschließen. Ob das gelingt, halte ich nicht für ausgemacht, aber immerhin ein erster Schritt ist getan: Ab 2018 gibt auch die dju in ver.di wieder den bundeseinheitlichen Presseausweis mit der Unterschrift des IMK-Vorsitzenden heraus, unter dem Dach des Deutschen Presserats. Wir freuen uns, dass dies trotz zum Teil heftigen Gegenwinds gelungen ist. Eine aktuelle Presseinformation des Presserats sowie der Wortlaut der Vereinbarung stehen hier:
http://www.presserat.de/presserat/bundeseinheitlicher-presseausweis.
Alles Wissenswerte rund um den Presseausweis von der dju in ver.di findet sich hier: http://dju.verdi.de/service/presseausweis.
Wenn ich lese, was wir alles geschafft haben, stelle ich fest: Wir haben einiges bewegt in 2017, gemeinsam und solidarisch. Darauf können wir stolz sein. Es bleibt aber noch genug zu tun in den kommenden Jahren, für die wir uns viel vorgenommen haben, für die Pressefreiheit, für die Arbeitsbedingungen der Medienschaffenden, angefangen bei den Gehältern und Honoraren, aber ebenso für die Situation der Freien in den Medienhäusern und Rundfunkanstalten und nicht zuletzt auch für unsere eigene Organisation. Ab 2018 stehen wieder unsere Gremienwahlen an und wir freuen uns über alle, die uns aktiv mit ihrer Kraft und ihren Ideen unterstützen, in Vorständen, im Presserat, in unseren internationalen Organisationen. ver.di ist eine Mitmachorganisation und lebt von der Kraft ihrer Mitglieder.
Für Euren Einsatz in diesem Jahr danke ich Euch herzlich. Ich hoffe, dass Ihr an den Feiertagen eine schöne und erholsame Zeit mit Euren Lieben verbringen und uns in 2018 mit neuer Kraft unterstützen könnt.
Viele Grüße,
Conny Haß und das Team der Bundesgeschäftsführung der dju in ver.di und der Fachgruppe Medien
https://dju.verdi.de/
https://rundfunk.verdi.de/
https://mmm.verdi.de/