„Wie unverzichtbar unabhängige Medien und seriöser Journalismus für die Bürgerinnen und Bürger, für unsere Demokratie sind, erleben wir in dieser Krise so stark wie nie“, erklärt die Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, Tina Groll, zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai. „Im Wochenrhythmus erreichen uns Meldungen über neue Rekordwerte bei Zugriffen auf digitale Nachrichtenangebote, Abo-Verkäufen oder Einschaltquoten. Das zeigt: Eine Gesellschaft, die auf eine so beispiellose Probe gestellt wird, braucht die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten, um das Geschehen zu analysieren, einzuordnen, aber auch kritisch zu hinterfragen.“
„Dass die Menschen trotz Isolation informiert bleiben, dafür arbeiten die Kolleginnen und Kollegen rund um die Uhr – ob im Homeoffice oder in der Redaktion“, hebt Groll hervor, kritisiert jedoch, dass die Wertschätzung für diesen Einsatz über reine Lippenbekenntnisse nicht hinausgehe. „Immer mehr Medien schicken auch ihre Redaktionen in Kurzarbeit, Freie erhalten keine Aufträge mehr – und das bei gleichzeitig steigendem Informationsbedarf von Leser*innen und Zuschauer*innen. Darunter leidet die Qualität, darunter leiden unsere Kolleginnen und Kollegen“, mahnt Groll. Die Unternehmen müssten einer Entgrenzung der Arbeitszeit entgegenwirken und gute Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten schaffen, auch im Homeoffice. In diesem Zusammenhang begrüßt die dju-Vorsitzende den Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, das Recht auf Homeoffice nach der Corona-Krise gesetzlich zu verankern. Dabei müsse die Entscheidung, von zu Hause aus zu arbeiten, bei den Beschäftigten selbst liegen, sei bei der Einführung immer der Betriebsrat hinzuzuziehen und stünden die Arbeitgeber in der Verantwortung, dafür die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, stellt Groll klar.
Aber so sehr das gestiegene Vertrauen in seriöse Medien Anlass zur Freude gebe, dürfe dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Pressefreiheit auch in Deutschland immer wieder auf dem Prüfstand stehe, erinnert Groll. So sei insbesondere die Gefahr von rechts noch längst nicht gebannt: „Die Lage ist sehr ernst. Die Angriffe auf Medien sowie Journalistinnen und Journalisten nehmen ein besorgniserregendes Ausmaß an.“ Das habe zuletzt noch kurz vor dem Lockdown eine Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien des Bundestags gezeigt, in der die dju in ver.di unter anderem eine wirksame Erleichterung von Sperren im Melderegister für Journalistinnen und Journalisten sowie einen Artikel 5 entsprechenden Umgang der Polizei mit den Medien gefordert hatte.
„Bei vielen Behörden müssen wir immer wieder ein eklatantes Unverständnis für die Pressefreiheit und deren Bedeutung feststellen“, kritisiert Groll und verweist unter anderem auf die von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Reporter ohne Grenzen, der dju in ver.di und weiteren Medienorganisationen initiierte Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz und die darin geregelte weltweite Überwachung des Internetverkehrs durch den Bundesnachrichtendienst, über die das Bundesverfassungsgericht in wenigen Wochen entscheiden werde. „Immerhin: Dass der Entzug der Akkreditierungen beim G20-Gipfel in Hamburg rechtswidrig war, hat das Bundespresseamt mittlerweile zugegeben“, freut sich die dju-Vorsitzende. Die Klagen aller von der dju in ver.di vor Gericht unterstützten Journalisten seien erfolgreich gewesen.
„Wo es hinführt, wenn die Pressefreiheit nicht immer wieder mit allen Mitteln und auch gegen staatliche Stellen verteidigt wird, erleben wir gerade in unseren EU-Nachbarländern wie Ungarn oder Bulgarien“, so Groll. „Journalismus ist ein Kompass in stürmischen Zeiten. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass das Schiff nicht aus dem Ruder läuft und den unschätzbaren Wert der Pressefreiheit hochhalten. Im Kleinen – durch die angemessene Wertschätzung der Arbeit von Journalistinnen und Journalisten – und im Großen – durch unseren unermüdlichen Einsatz für die Wahrung dieses bedeutenden Grundrechts“, appelliert die dju-Vorsitzende. Und kündigt an: „Dazu rufen wir auch wieder auf, wenn die Anhörungen im Prozesses gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange fortgesetzt werden, denn hier steht die Pressefreiheit weltweit auf dem Spiel.“