Die Tagesmoderation des 34. Journalismustags teilten sich die dju-Vorsitzende Tina Groll (Foto unten), Redakteurin bei ZEIT Online, und Andrea Mavroidis, Redakteurin bei Elliniko Randevou auf COSMO WDR, RBB, Radio Bremen.
Einen ausführlichen Bericht über den Journalismustag mit vielen Fotos bietet die medienpolitische ver.di-Publikation "M - Menschen Machen Medien".
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In Zeiten disruptiven Wandels ist es schön, wenn man an Bestehendem festhalten kann: Der 34. Journalismustag der dju in ver.di fand am 23. Januar 2021 im Berliner ver.di-Haus und an vielen Bildschirmen statt.
Im Livestream auf unserer Website dju.verdi.de und auf Facebook war die Diskusson zu sehen. Kommentare waren dort möglich ebenso wie auf Twitter #jt21. Allein auf Facebook erreichte der Journalismustag bis zum Ende der Veranstaltung mehr als 3500 Personen, rund 500 Zuschauer*innen folgten dem Livestram auf der dju-Seite.
„Medien müssen den gesellschaftlichen Diskurs mitgestalten. Um diese Rolle ausfüllen zu können, braucht es Vertrauen auf Seiten des Publikums sowie eine finanzielle Ausstattung, die gute Arbeitsbedingungen und damit Qualitätsjournalismus erst möglich macht“, erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz zu Beginn des 34. Journalismustages der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Während der Pandemie sei deutlich geworden, wie groß die Nachfrage nach zuverlässigen und seriösen Informationen sei.
Trotz des dadurch gestiegenen Arbeitsaufwandes hätten viele Verlage auch in ihren Redaktionen Kurzarbeit angemeldet. Ob dies wirtschaftlich gerechtfertigt gewesen sei, könne ver.di wegen des Tendenzschutzparagrafen nicht nachvollziehen, da dieser die Einsicht in die Wirtschaftszahlen verhindert. Schmitz warb um Unterstützung für die einmalige Chance, die längst überholte Regelung mit dem Betriebsrätestärkungsgesetz endlich abzuschaffen.
Bessere Hilfen für Solo-Selbstständige
Besonders hart habe die Corona-Krise die vielen freien Journalistinnen und Journalisten getroffen, auch weil die Geschäftsleitungen der Medienunternehmen bei ihnen als erstes den Rotstift ansetzten. „Es kann nicht sein, dass die Verlage mit 220 Millionen Euro subventioniert werden sollen, aber diejenigen, die die Seiten der Zeitungen und Zeitschriften füllen, auf der Strecke bleiben“, kritisierte Schmitz und forderte dringende Nachbesserungen bei den Hilfen für Solo-Selbstständige.
Alexandra Borchardt, Professorin und Co-Leiterin des Masterstudiengangs Kulturjournalismus an der Universität der Künste in Berlin, Senior Research Associate am Reuters Institute for the Study of Journalism der Uni Oxford und mit viel Redaktionserfahrung aus der Süddeutschen Zeitung, brachte eine Menge Optimismus mit zu ihrer Keynote: "Wo kommen wir her, wo wollen wir hin? - Medien zwischen Politik, Wissenschaft und Verschwörungsmythen". Gerade in der Pandemie-Zeit gebe es im Journalismus viel Positives wie steigende Abozahlen und Neuentwicklungen vom Instagram-Post der Tagesschau bis zu den Newslettern der Lokalzeitungen.
Der neueste Digital News Report des Reuters Institute zeige ein großes Vertrauen des Publikums in die Medien, aber auch eine gewisse Kritik an der Relevanz der ausgesuchten Themen. Die gesellschaftlichen Debatten bestimmten immer noch die klassischen Medien, nicht die "Social Media", deren Wirkung aber durch Zitate in Traditionsmedien teilweise vergrößert wird. In einer Checkliste empfahl sie den Journalist*innen, die Nutzer*innen auf Augenhöhe und als Verbündete zu behandeln.
"Lockdown, Shutdown, Breakdown – wie viel Corona verträgt der gesellschaftliche Diskurs?" hieß die Frage, die Klaus Schrage, Nürnberger Nachrichten, mit der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger, und der Intendantin des Maxim-Gorki-Theaters, Shermin Langhoff, online diskutierte. Allmendinger betonte, dass gerade die Frauen durch den Lockdown und das Homeoffice beim Kontakteknüpfen und der Karriere behindert würden. Als positiv vermerkte sie eine gestiegene Aufmerksamkeit für Wissenschaftsfragen in den Medien. Den Journalist*innen fehle aber oft das Verständnis für die Vorsicht der Wissenschaftler*innen und die Vorläufigkeit der Antworten.
Den Theaterleuten fehle im Lockdown nicht nur der Kontakt zum Publikum, sondern auch das Feedback in den Feuilletons, erklärte Langhoff, die journalistische Arbeit aus einem Zeitschriftenvolontariat selbst kennt. Der Journalismus solle sich thematisch mehr als bisher den von Corona besonders stark betroffenen ärmeren Bevölkerungsschichten zuwenden und diversere Perspektiven bieten, sagte sie und lobte dafür die Neuen deutschen Medienmacher*innen.
Für den schon traditionellen Kurzfilm der Deutschen Journalistenschule zum Journalismustag fragten vier Schülerinnen "Wie geht Wissenschaftsjournalismus?" und stellten die Vielfalt der Formate und Ansätze vor.
"Ist Wissenschaftjournalist*in eine unterschätzte Spezies", fragte Manfred Kloiber, freier IT-Journalist, Jeanne Rubner, Physikerin und Ressortleiterin bei "Wissen und Bildung aktuell" des Bayerischen Rundfunks, sowie Stefan Wirner, Redaktionsleiter der "drehscheibe", einer Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), die sich besonders an Lokalredaktionen wendet. Wissenschaftsjournalist*innen - von manchen auch als "Erklärbären" tituliert, was Kloiber durchaus ins Positive zog - hätten in der Corona-Zeit zwar mehr zu tun, bestätigte Rubner auf Kloibers Vermutung, aber die Nachfrage sei schon vor der Pandemie bei Themen wie Technik, Klima, Umwelt oder Medizin gestiegen. Sehr viel guter Wissenschaftsjournalismus ist ihrer Ansicht nach im Netz zu finden. Bei der Pandemie sei die Zusammenarbeit mit den anderen Ressorts unerlässlich, etwa mit den Landesredaktionen bei Schulthemen oder den Politikredaktionen bei Fragen wie der Impfstoffbestellung.
Die Pandemie und die entsprechenden Maßnahmen seien natürlich auch für die Lokalredaktionen das beherrschende Thema, unterstrich Wirner. Als besonders positiv schilderte er, wenn Redaktionen auf lokaler Ebene auch bei Gerüchten nachrecherchierten und aufklärten. Wieviel wissenschaftsjournalistische Expertise in den Lokalredaktionen vorhanden sei oder aufgebaut werden könne, hänge stark von den einzelnen Häusern ab. Neu sei in der Pandemie, hieß es in der Diskussion, die starke persönliche Betroffenheit der Journalist*innen bei den meisten Corona-Themen.
Das letzte Panel des 34. Journalismustags beschäftigte sich unter der Leitung von Cornelia Berger, Leiterin von Kommunikation und Marketing bei ver.di und lange dju-Bundesgeschäftsführerin, mit den Fragen: "Nach Corona ist vor…? Wie geht es weiter mit den Medien und dem Journalismus?". Ob man aus der gestiegenen Aufmerksamkeit für Medien in der Corona-Krise Hoffnung schöpfen könne, auch für neue Geschäftsmodelle, war Bergers Frage an die freie Medienjournalistin Ulrike Simon. Sie antwortete mit einem "Jein". Zwar seien die Zugriffszahlen in die Höhe geschossen, aber die Inhalte würden nicht mit der erforderlichen Konsequenz monetarisiert, sprich hinter die Bezahlschranke gepackt, um die Einbrüche im Werbegeschäft zu kompensieren. Staatliche Förderung lehnte sie für unabhängige Medien strikt ab
Christina Viehmann vom Institut für Publizistik der Uni Mainz berichtete aus den neuesten Umfragezahlen zum Medienvertrauen, dass die Reputation von klassischen Medien deutlich gestiegen sei. Stark beachtet vom Publikum würden auch deren Kanäle auf den sogenannten sozialen Medien. Diesen sollten die seriösen Medien mehr Aufmerksamkeit widmen und die Formate hier zielgenauer anpassen.
In ihrem Schlusswort machte Martha Richards, ver.di-Koordinatorin für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, deutlich, dass das Jahr 2021 von der Diskussion um die Bedeutung des ÖR geprägt sein werde. ver.di werde für einen ausreichend finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk kämpfen, "denn wir lieben Journalismus". Monique Hofmann, dju-Bundesgeschäftsführerin, nahm das Wort Hoffnung auf, das mehrfach gefallen war, Hoffnung auf eine solidarischere Gesellschaft und eine gute Zukunft des Qualitätsjournalismus. Und beendete den Journalismustag mit der Hoffnung, im Januar 2022 die Kolleginnen und Kollegen wieder leibhaftig im Berliner ver.di-Haus begrüßen zu können.
Susanne Stracke-Neumann