Verlage auf der (Tarif)Flucht

Viele Medienhäuser sind auf der Flucht. Auf Tarifflucht. Zum Ende 2022 hat auch die Funke Mediengruppe den Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und damit die die Tarifbindung verlassen.

Eigentlich wäre es einfach. Gehalts- oder Manteltarifvertrag definieren den Wert und die Rahmenbedingungen von Arbeit. Unsere Kolleg*innen sollten sich darauf verlassen können, dass diese Konditionen mindestens gelten. 

Schließlich stellen sich Zeitungverlage nach außen als vorbildliche Unternehmen und als Bewahrer der Demokratie dar. Tatsächlich jedoch ignorieren viele Medienhäuser die Ergebnisse der Tarifverhandlungen des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) mit unserer Gewerkschaft und dem Deutschen Journalistenverband (DJV). 15 bis 20 Prozent weniger Gehalt sowie längere Arbeitszeiten sind in solchen Fällen die Regel. Medienkonzerne gehen auch folgenden Weg: In der Zentrale wird der Tarif respektiert, in den Redaktionen der Verlagstöchter jedoch nicht. 

Schließlich: Nur sehr wenige Verlage halten die Vergütungsregeln für freie Journalist*innen ein. Und wer schon seine Festangestellten schlecht behandelt, macht es bei den Freien umso mehr.

Dieses Verhalten ist toxisch: So wird in Tarifverhandlungen den Gewerkschafts-Vertreter*innen seitens der BDZV-Vertreter erklärt, dass nur bescheidene Abschlüsse diskutabel seien. Denn ansonsten würden noch mehr Medienhäuser die Tarifverbindung verlassen und erst recht keine OT-Verlage (bedeutet: ohne Tarif) dorthin zurückkehren.

Der reale Entgelt-Verlust für Zeitungs-Journalist*innen der zurückliegenden Jahrzehnte zeigt, dass die Verleger mit dieser erpresserischen Strategie erfolgreich gefahren sind. Journalistische Arbeit wurde derart billig gemacht, dass die Bewerberzahlen für die Volontariate eingebrochen sind und dass sich Redakteur*innen viel seltener als früher langfristig an Verlage binden. 

Aber warum lassen sich kritische Journalist*innen all das gefallen? Vielleicht ja, weil sie sich mehr ihren Leser*innen verpflichtet fühlen als ihrem Verleger und diesen auch in Streikzeiten journalistische Qualität bieten möchten.

Das ist ehrbar. Aber einen Tarifstreit gewinnt nur, wer einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und die gemeinsame Bereitschaft von Belegschaften hat, die Arbeit wirksam und gegebenenfalls ausdauernd zu verweigern. 

Dort, wo das der Fall war, haben Arbeitgeber gelernt, dass sich Tarifflucht nicht lohnt. Lasst uns weitere Erfolge kreieren. Wir helfen gerne.

Klaus Schrage (25.3.2024) 

Die Politik muss handeln

„Die Medienbranche ist keine Ausnahme in der deutschen Wirtschaft, eher im Gegenteil. Die Tariflandschaft in Deutschland ist stark ausgedünnt. Gegenwärtig verfügt nur noch gut die Hälfte der Beschäftigten über einen Tarifvertrag. Die Europäische Union schreibt vor, dass Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen müssen, um das Tarifsystem zu stabilisieren, wenn die Abdeckung weniger als 80 Prozent beträgt. Die Ampelparteien haben sich in ihrem Koalitionsvertrag dazu verpflichtet“, heißt es in einem Beitrag der Hans Böckler Stiftung über das Gutachten von Prof. Dr. Olaf Deinert am 19. Januar 2024. Erläutert werden die dafür möglichen unterschiedlichen Instrumente.  

Weitere Informationen zum Thema Tarifbindung finden sich hier bei der Hans Böckler Stiftung. 

Tarifbindung stärken!

Gute Arbeit gibt es nur mit guten Tarifverträgen, darüber sind sich die DGB-Gewerkschaften einig. Mit der im November 2023 gestarteten Kampagne #Tarifwende ruft der DGB die Gewerkschaftsmitglieder auf, für mehr Tarifbindung und die eigenen Rechte bei der Arbeit einzutreten.

„844 Euro brutto mehr, jeden Monat: Das bekommen Beschäftigte im Schnitt, wenn sie in einem Betrieb mit Tarifvertrag arbeiten. Doch davon gibt es immer weniger. Das muss sich ändern: Wir kämpfen für eine stärkere Tarifbindung – damit wieder deutlich mehr Arbeitnehmer*innen unter den Schutz von Tarifverträgen fallen und mehr Geld auf dem Konto haben. Die Mittel dafür: unsere Kampagne #Tarifwende und das geplante Tariftreuegesetz“, heißt es beim DGB. Alle Infos zu den Forderungen, aktuellen Entwicklungen und Statistiken zur Tarifbindung gibt es hier.

Aktuelle Zahlen und Fakten vom Statistischen Bundesamt. 

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